Der Stier mit der Weltsäule. Ein archaisches Mythenbild vom Bau der Welt
750 Seiten, ca. 300 Abbildungen, Praesens Verlag, ISBN 978-3-7069-0639-5
Das Thema der Arbeit ist im Bereich der historischen Mythenforschung beheimatet. Ein archaisches, mythischkosmologisches Bild, wonach ein horntragendes Tier – zumeist der Stier – eine Säule auf seinem Rücken trägt, welche wiederum den Himmel stützt, ist Ausgangspunkt der Betrachtungen und wird in seinen Variationen und Linien der Verbreitungen mit kulturgeschichtlichen Erwägungen dargestellt.
Die Arbeit greift einen von der vergleichenden Religionswissenschaft bzw. Mythenforschung bislang unerkannt gebliebenen und niemals explizit dargestellten Mythos auf, stellt ihn erstmals vor und dar; dies mit überraschenden Konsequenzen insofern, als für die Wissenschaft bereits lange Bekanntes und vermeintlich ausreichend Dargestelltes eine neue Deutung bzw. ungeahnte Erklärungsansätze erfährt.
Diese mythische Vorstellung (samt dazugehörender Ritualistik) vom Bau und Halt der Welt mit „theriomorpher Beteiligung“ ist aus dem naturvölkischen bzw. vor- und frühgeschichtlichen Bereich zu erschließen: einerseits in Form mündlich tradierter Überlieferungen (bzw. brauchtumsmäßiger/zeremonieller Handlungen), andererseits in Form von Bildquellen (vor- und frühgeschichtliche bis rezent-naturvölkische Kunst); darüber hinaus aber auch im Zuge historisch-sprachwissenschaftlicher (etymologischer) Untersuchungen, die die beiden Kernbegriffe aus dem behandelten mythischen Bild:
Stier und Säule/Pfeiler, überraschender- und möglicherweise in ein „genuin-etymologisches Verhältnis“ bringen, woraus zu folgern wäre, dass der „mythischen Sachbeziehung“ eine „verwandtschaftliche Wortbeziehung“ parallel läuft, was in weiterer Folge als starkes Indiz für eine uralte Verschwisterung beider Begriffe und für die Evidenz des besagten mythischen Weltbildes seit alters her zu werten wäre.
Grundsätzlich ist die Arbeit in zwei Abschnitte unterteilt: Widmet sich der erste Teil vorwiegend der Darstellung und Rekonstruktion des Mythenbildes vom Stier mit der Weltsäule in den verschiedenen Kulturräumen und zeitlichen Dimensionen, so wird im ersten Abschnitt des zweiten Teils die vom Verfasser so benannte „Spurensuche“ – gemeinsam mit ersten Schlussfolgerungen und Analysen – insoferne fortgeführt, als zum Verständnis der mythischen Varietäten des besagten Mythenbildes (scheinbar) verwandte Mythenmotive vorgeführt werden, in denen der Stier ebenfalls eine „mythisch-kosmologische Präsenz“ beweist: Neben dem Stier mit der Himmel tragenden Weltsäule gibt es die Vorstellung, wonach das männliche Rind, im kosmischen Urgrund stehend, die Welt oder die Erde auf seinen Hörnern trägt sowie jene Idee, dass der Stier in seiner ganzen Gestalt die Welt bzw. den Weltberg darstellt und verkörpert. Dort, wo diese mythischen Bilder aufeinander getroffen sind, bestehen sie in den mythischen Realitäten entweder eng aneinander geschmiegt bzw. fast ident wirkend nebeneinander oder aber es haben sich mythische Kontaminationsprodukte ergeben.
Aus den weiteren Untersuchungen geht schließlich hervor, dass es sich bei den besagten Mythenmotiven hinsichtlich des ideellen Hintergrundes sowie des zeitlichen und räumlichen Ursprungs um drei grundsätzlich voneinander zu trennende Kreise handelt. In diesem Bereich der Arbeit befindet sich die vermutlich umfangreichste und vollständigste Sammlung von bildlichen und schriftlichen Quellen zu den jeweiligen Mythenmotiven, und aus dieser Materialsammlung erhält die Arbeit geradezu den Charakter eines Nachschlagewerks.
Der zweite Abschnitt des zweiten Teils führt wieder zum Stier mit der Weltsäule zurück: Es werden die weiten,
geistesgeschichtlichen Auswirkungen mitsamt ihrer baulich-monumentalen Manifestationen („Stiersäulen“, „gehörnte
Menhire“, etc.) dargestellt und analysiert, ein möglicher Ursprungsherd des Weltbildes (räumlich wie zeitlich)
erwogen und die unterschiedlichen, möglichen Verbreitungswege und Rezeptionen diskutiert.
Das Werk ist grundsätzlich stark interdisziplinär ausgerichtet, passt sich bei der Behandlung der jeweils sehr
unterschiedlichen Fragestellungen den Quellenlagen an und spannt einen weiten Bogen, innerhalb dessen so verschiedene
Disziplinen aus den Geistes- und auch Naturwissenschaften behandelt werden, wie etwa: Volks-/Völkerkunde,
Kunstgeschichte, Felsbildforschung, Archäologie/Ur- und Frühgeschichte, vergleichende Religionswissenschaft
(Mythenforschung) historisch-vergleichende Sprachwissenschaft (Etymologie), physische Anthropologie,
Genetik, etc. Neueste wissenschaftliche Ergebnisse (vor allem aus den Bereichen der Prähistorie/Archäologie/
Felsbildforschung sowie der Genforschung [hinsichtlich der Frage nach dem Ursprung und der Verbreitung des
Hausrindes] ) werden ebenso behandelt wie primäre Text- und Bildquellen vorgestellt, die über weite Strecken der Arbeit – vor allem im Zuge der „Spurensuche“ – eine essentielle Rolle spielen.